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Wolfgang Ullrich Zur Plakataktion Demokratie Gelegentlich sitzen Politiker, PR-Strategen der großen Parteien und Beamte des Innenministeriums zusammen, um zu beratschlagen, wie künftig einem weiteren Sinken der Wahlbeteiligung entgegengewirkt werden könnte und wie sich - generell - etwas mehr Identifikation der Bürger und vor allem der Jugend mit der Demokratie erreichen ließe. Bei solchen Treffen werden regelmäßig irgendwelche Broschüren ersonnen, die die Vorzüge des politischen Systems darstellen sollen und die man dann in Schulen und bei den Behörden verteilt; vielleicht wird auch eine Tagung an einer Evangelischen Akademie oder bei einer parteinahen Stiftung angeregt, oder man gibt zumindest die Expertise bei einem Politiologie-Institut in Auftrag. Vor einigen Monaten fand wieder eine dieser Sitzungen statt, und erstmals nahmen daran auch zwei Künstler teil, Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß. Später wusste niemand mehr genau, wer sie eigentlich eingeladen hatte; jeder wollte plötzlich die Idee dazu gehabt haben, nachdem zuerst noch einige der Beamten ihre Vorschläge zu blockieren versucht hatten. Die beiden Künstler, die sich bereits seit einigen Jahren intensiv mit Strategien der Werbung beschäftigen, erarbeiteten ein verblüffend einfaches und zwingendes Konzept: Damit Demokratie attraktiver, flotter und interessanter erscheint als bisher und im besten Fall sogar kultig wird, ja zu einem Statussymbol für Teenis, der primären Zielgruppe, muss sie konsequent als Markenprodukt lanciert werden. Denn nur Marken werden heutzutage ernst genommen, und was einmal als Marke funktioniert, ist nicht mehr eigens legitimationsbedürftig. Wozu Anzeigen schalten, in denen der Geist der Demokratie umständlich erklärt und dafür argumentiert wird, wenn es reicht, das Wort "Demokratie" zu drucken und mit dem Zeichen für eine registirierte Marke, also einem in einen Kreis gestellten "R" zu versehen? Dies ist für die heutige Jugend völlig ausreichend, damit aus einem Begriff, der an langweilige Schulstunden erinnert, ein kesses Label wird, von dem man vermuten kann, dass es wertvoll und nur entsprechend teuer zu kaufen ist. Sätze wie "Ich will mehr Demokratie" hörte man tatsächlich auf den meisten Schulhöfen, bereits nachdem die erste dieser Kampagnen im Wochenmagazzin "Profil" gedruckt war. Bei Rundfunksendern wie "Hitradio" oder "Radio Antenne" liefen erste Spots, die "Demokratie" rhythmisch skandierten und die zu überspielen zur Zeit kaum ein Junge versäumt, der seiner Freundin eine Kassette mit Lieblingsstücken zusammenstellt. Angeblich ist mittlerweile sogar schon die Gründung eines Fan-clubs "Demokratie" in Vorbereitung, der sich zum Ziel setzen will, ein großes Alternativ-Event zur Berliner Love-Parade zu initiieren. Wie chic es innerhalb kürzester Zeit geworden ist, sich zu "Demokratie" zu bekennen und mit ihrem Label zu schmücken, belegt aber am eindruckvollsten die Tatsache, dass zahlreiche Firmen darum wetteiferten, bei Plakat-Aktionen ihr Logo zusammen mit dem Wort "Demokratie" zu platzieren. Gerne verzichteten sie darauf, ihre eigenen Produkte auf Plakaten zu inszenieren, und versprachen sich einen optimalen Image-Gewinn, wenn sie nur irgendwie als Sponsor für Demokratie-Plakate in Erscheinung treten konnten. Rund 800 solcher Plakate, bei denen jeweils zwei Plakat-Bogen der jeweiligen Unternehmen zwischen die Demokratie-Bogen geklebt wurden, hängte man im Dezember 2000 allein in Wien aus, und seitdem hat sich der Traum manchen Markenmanagers erfüllt: Im Volksmund haben sich Endungen wie "Fanta-Demokratie", "DM-Demokratie" oder "TFM-Demokratie" festgesetzt. Es ist den Unternehmen also gelungen, mit dem neuen Kultbegriff assoziiert zu werden; die nächsten Werbekampagnen sind daher schon in Planung. Und der Staat verdient daran, denn er hat mittlerweile ein so hochklassiges Produkt anzubieten, dass er dafür nicht nur keine Werbung mehr machen muss, sondern dass ihn jeder bezahlt, der sich ein bißchen von der Aura, ja vom Mythos der Demokratie borgen will. Die beiden Künstler, die die Idee mit der Demokratie als Marke hatten, Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß, sind folgerichtig bereits für die höchsten Orden vorgeschlagen, die das Land zu vergeben hat, und als nächstes sollen sie aus Brüssel den Auftrag erhalten, den Euro populärer zu machen. P.S. Wer Erfolg hat, hat natürlich auch Neider. So tauchen immer wieder Gerüchte auf, denen zufolge alles ganz anders gewesen sein soll. Angeblich haben die beiden Künstler gar nicht in staatlichem Auftrag gehandelt, weil es dem Staat nämlich egal ist, was die Bürger von der Demokratie denken. Und angeblich war es auch nicht so einfach, Firmen zu finden, die die Demokratie-Plakate mitzufinanzieren bereit waren. Nur ungern wollten die meisten mit einem so schwammig-linken Begriff in Verbindung gebracht werden. Doch wie gesagt, das sind nur Gerüchte. springerin, Band VII, Heft 1/01 top |
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