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Jasper van Pall Ähnliches und Gleichartiges In diesem Sommer überraschten eigenwillige Schriftplakate die Passanten in den vier größeren Städten Österreichs - Wien, Graz, Linz und Innsbruck. Auf den ersten Blick teilweise unverständliche und scheinbar willkürlich gesetzte Wortsplitter ließen sich erst bei näherem Hinsehen zusammenfügen und identifizieren. In einem immer gleichen, grafischen Raster aufgelöst, waren die Namen von Wirtschaftsunternehmen gegeben: 20 Namen, 20 verschiedene Plakate in einer Gesamtstreuung von 1000 Stück. Für ihre, ironisch Monolog des Vertrauens betitelte Aktion ließen Strauß/Mittmannsgruber ganz einfach das Alphabet in großen Blocklettern drucken - jeweils ein Buchstabe auf einem Plakatbogen - und setzten die einzelnen Namen, ohne irgendeine Rücksicht auf Lesbarkeit, im jeweils kleinstmöglichen der bestehenden Plakat-Normformate zusammen: 4 Bogen, 8 Bogen, 12 Bogen etc.. Die Länge der Firmennamen bestimmte demnach die Größe der einzelnen Plakate. Eine medienbezogene Überlegung war für Strauß/Mittmannsgruber der Ausgangspunkt ihrer Kampage. Das Großplakat ist ein ausschließlich kommerzielles Medium, Präsentationsforum der Wirtschaft, der einzelnen Unternehmen, ihrer Marken und Produkte, und vor allem im Gegensatz zu allen anderen öffentlich relevanten Medien - Fernsehen, Radio, Zeitung etc. - ist es allein und uneingeschränkt von Werbeinteressen geleitet. Kein anderer medialer Raum ist im Vergleich zum Plakat und dessen strikter Exklusivität strukturell derart klar abgegrenzt: das Großplakat ist ein medialer Extremfall. Die auf den Plakaten durchgeführte Repräsentation von Unternehmen hat, wie jegliche Reklame, eine hauptsächliche, vor jedem anderen Kalkül stehende Intention: sie zielt auf ästhetische Spezifizierung, die Schaffung von individuellen, unverwechselbaren Identitäten und Images. Ästhetische Unterscheidung ist, wieder im Gegensatz zu anderen Medien, das Grundprinzip des hier behandelten. Die Monofunktionalität des Umfeldes, in das sich hier die ehemals autonome Kunst drängt, zwingt ihr, will sie nicht bloßer Fremdkörper sein, ein - wie auch immer - bezugnehmendes Verhalten auf. Das Plakatmedium ist aufgrund seines Ausnahmecharakters für die Kunst kein öffentlicher Kontext wie andere auch. Hinter dem Schein von Warenästhetik und anderer Werbetechniken, dem Glanz der Bilder, der uns auf den Plakaten entgegentritt, stehen die Unternehmen. Sie sind die eigentlichen Akteure dieses ästhetischen Feldes. Weil aber in Wahrheit die Unternehmen hier auch sonst immer als die einzigen Subjekte wirken, tun sie das auch in dieser Kampagne: sie sind ihr Sujet. Der Monolog des Vertrauens spricht von denen, die in diesem Medium nur handeln. Im Vordergrund der Plakate sind stets die konkurrierenden, auf Unterscheidung abzielenden Werbebotschaften - der Sätze und der Bilder. Diese ästhetischen Konstrukte werden von Strauß/Mittmannsgruber abgezogen und in einem doppelten Schritt vollkommen getilgt: das Werbeplakat wird auf den bloßen Namen des werbenden Unternehmens reduziert. Aber auch den Firmennamen, die repäsentativ in der Öffentlichkeit ausschließlich in ihrem je spezifischen Design, als Logos, erscheinen, wird ihre typische grafische Gestalt genommen. Die Bildidentität der Firmenlogos und die mit ihnen in langjähriger Prägung verknüpfte, formale Identifizierung wird negiert. Stattdessen werden die Namen Teil einer gemeinsamen kommunikativen Struktur und in ein überindividuelles, allgemeines Schriftschema versetzt; sämtliche Namen sind ausnahmslos derselben grafischen Systematik unterworfen. Eine sonst in diesem Kontext ganz unmögliche ästhetische Gleichheit der Repräsentation ist hergestellt. Die Kampagne tritt somit der diskursiven Ordnung des Mediums entgegen und annulliert dessen inhärente ästhetische Norm: Diversifikation. Die scheinbare Variabilität der Werbung ist durch die ganz geringe Variabilität eines formalen Spiels ersetzt. Die Disziplin der Diversifikation wird konterkariert und ironisch umformuliert in eine Spielordnung, die sich von der technischen Struktur des Mediums - Gleichsetzung von Bogen und Buchstabe, normierte Formate etc. - herleitet. Diese andere Ordnung aber ist den längst etablierten, jeweils typischen Firmen- und Markenimages gegenüber - corporate identity, imaginäre Identität von Marke und Werbefigur etc. - gänzlich zufällig. Von den je unterschiedlichen, scheinhaften Identitäten der Unternehmensbilder her gesehen, ist die neue, gesetzte Struktur disfunktional. Die ökonomischen Spieler, die sich in ihrem gemeinsamen Interesse ohnehin gleichen, sind nun auch ästhetisch eins geworden. Das einzelne Plakat der Aktion besitzt - wie immer minimiert - nach wie vor individuellen Repräsentationscharakter. Das gesamte Projekt aber etabliert darüber eine Meta-Ebene: alle Gesichter ähneln sich. Innerhalb der Kampagne als ganzer ist das Einzelplakat Werbung, die so tut als ob - es ist Mimikry eines Werbeplakats. Die Tatsache der Uniformierung ist in der Streuung der Kampagne das entscheidende Moment für deren Wirkung und Bedeutung. Die auf den puren Namen reduzierte und unifizierte Präsenz der Unternehmen entkleidet die Plakatflächen vom vorgelagerten Wettbewerb der projizierten Bilder, macht im Nebeneinander der Werbenden deren interessierte Gleichartigkeit transparent und offenbart - ästhetisch - an einem Ausschnitt der Repräsentationen den - sonst ästhetisch verdeckten - Monolog des Mediums. Die Aktion von Strauß/Mittmannsgruber realisierte ein Mitspielen der Kunst in einem gesellschaftlichen Kontext, der von den Künstlern als Machtdispositiv begriffen wird. Erst durch den Zutritt aber konnte sie ein Differenzphänomen zu jenem scheinhaften Gegeneinander einrichten und war sie in der Lage, in Distanz zu dem von ästhetischer Diversität dominierten Kontext, diesen kritisch zu befragen. Weil Kunst im öffentlichen Raum stets in ein bestimmtes - architektonisches, soziales, mediales etc. - Umfeld gesetzt ist, und auch solche Arbeiten, die für sich eine imaginäre Unabhängigkeit behaupten, zumeist ungewollt durch die Rahmenbedingungen funktionalisiert werden, können künstlerische Interventionen, die von vorneherein in Beziehung zu diesen selbst operieren, Eigenmächtigkeit und Kompromißlosigkeit bewahren. Im Gegensatz zu nicht wenigen der unter dem aktuellen Schlagwort Kontextkunst diskutierten Arbeiten, die sich in einer Nabelschau des Betriebssystems Kunst erschöpfen und eine mitunter postulierte Übertragbarkeit auf andere gesellschaftliche Bereiche schuldig bleiben, scheint für das Projekt von Strauß/Mittmannsgruber jener Begriff tatsächlich angemessen. top |
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