Frankfurter Allgemeine Zeitung, Februar 1999
Süddeutsche Zeitung, Dezember 1999
nbk aktuell, 3.99, Berlin
Wiener Zeitung, 18. JULI 1995
Tiroler Tageszeitung, 8. Juli 1995
Oberösterreichische Nachrichten, 8. Juli 1995
Profil Nr. 29, 17. Juli 1999
Kurier, Wien, August 1996
Keine Werbung (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Februar 1999)

Eine Städte-Kampagne: Plakate, die Fragen stellen


Produkte werden mit Sehnsüchten und Versprechen ausstaffiert. Blasse Namen werden zu Identitäten. In schier endloser Wiederholung setzt die Werbung Erkennungszeichen für Firmen und Produkte: Logo, Schriftzug, Farben. An diesem Erscheinungsbild halten die Unternehmen mit fast abergläubischer Hingabe fest. Was aber passiert, wenn ein Kunstprojekt auf dieses Allerheiligste zielt, nicht im geschützten Kunstraum, sondern auf Großplakaten im Stadtraum? Großplakate dienen normalerweise ausschließlich der Werbung. Deren Bedingungen sind simpel: höchstmögliche Reduzierung des Sujets für sekundenschnelle Eindrücke, deren Effektivität sich an Verkaufszahlen zu messen hat. Die Sprache der Werbung ist Einwegkommunikation, ein Monolog der Konsumaufforderung. Großplakate sind aber auch ein Bildmedium, das sich für künstlerische Zwecke eignet. Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß plazieren seit drei Jahren ihre Kunstprojekte auf Wiener Plakatwänden. Der Kontext der Werbung, das Medium und dessen Nutzung, sind ihre Ausgangspunkte. Ihre Plakate stellen Fragen, lenken die Aufmerksamkeit auf das Medium und seine Bedingungen - zum Beispiel dem Zwang zur ästhetischen Unterscheidung als Waffe im Konkurrenzkampf uniformer Aussagen.

Für vier Wochen sponsert jetzt die Deutsche Städte-Reklame den beiden Künstlern über tausend Plakatflächen in Berlin, Essen, Frankfurt, Hamburg und München. Eine Menge Firmen haben die beiden Künstler im Rahmen ihres Projekts „Monolog des Vertrauens“ angeschrieben, um sie zum Verzicht auf ihr gängiges Erscheinungsbild zu bewegen, und um eine Gebühr zu erheben, die das Projekt finanziert. Nicht viele Firmen wollten den Künstlern ihr Vertrauen schenken.

Jetzt löst ,,Monolog des Vertrauens“ die visuelle Identität neun unterschiedlicher Firmen in einem gemeinsamen Bild auf. Einziges Sujet ist der Name: Ein Buchstabe pro Bogen, dargestellt in den Signalfarben Schwarz auf Gelb. Reduziert auf ihren Namen und uniformiert im neuen Rastergewand, entstehen die Marken buchstabierend neu: DASERSTE, NORDZUCKER, SOFTWAREAG. Es ist ein verwirrend klarer Auftritt, der vom Passanten nichts anderes fordert, als zu lesen. Was entsteht, ist eine kurze, werbefreie Leerstelle - ein Moment, der ungewohnt eigenständig zu füllen ist: vielleicht mit Uberlegungen zu den jeweiligen Firmenprodukten oder mit der erschreckenden Erkenntnis, daß man meist gewohnheitsmäßig an Bildtafeln einfach nur vorbeigeht.

Vielleicht schließt sich auch die Frage an: Wie weit unterscheiden sich Kunst und Werbung im Medium der Plakate? Ohne Rückendeckung durch eine Institution der Kunst und völlig unkommentiert hängen die Kunst-Plakate zwischen den Werbeflächen. An die Stelle von Versprechen setzen sie eine Uniformierung in Variationen. Solch ein Gruppenbild höchst unterschiedlicher Unternehmen in identischem Gewand ist in der Werbung unmöglich - das kann sich nur ein Kunstprojekt leisten. Denn anders als die Werbung provoziert die Kunst Fragen, die im Dialog mit den Bildern nach Antworten, nach Veränderungen suchen. Selten trifft der inzwischen zur Mode gewordene Begriff der Intervention so deutlich zu wie hier: Die Kunst-Plakate reflektieren Normen und bestehende Strukturen und kritisieren deren Verbindlichkeit. Bescheiden forden sie dazu auf, den Monolog der Werbung durch andere Bildwelten zu durchbrechen.
Sabine B. Vogel
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Werben mit Kunst oder Kunst als Werbung (
Süddeutsche Zeitung, Dezember 1999)

Nein, sie werben nicht um Sympathie für Borussia Dortmund, eher schon haben die auffällig gelb-schwarzen Plakate etwas mit Janoschs Tigerente zu tun - wie sie sind sie nämlich Zwitterwesen und vor allem Kunstprodukte. „Monolog des Vertrauens“ heißt die Aktion der beiden Wiener Künstler Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß, die sich mit den Sehgewohnheiten der Menschen und der Werbung für Markenartikel auseinandersetzt.
Auf 270 Großlächen sind in dieser Woche die Künstlerplakate geklebt worden. Meist verdecken sie nach Angaben der Deutschen Städtereklame, die die Flächen unentgeltlich zur Verfügung stellt, die Wahlwerbung der Parteien, die sonst bis zum Ende des Monats hängengeblieben wäre. So sind nun auf vielen der Plakate Buchstabenkombinationen zu lesen, wie DASERSTE oder MCDONALDS, die ungewöhnlich aussehen, weil man sie gewöhnlich nicht Buchstabe für Buchstabe liest, sondern schon an Form und der Farbe des Schriftzugs erkennt. Die beteiligten Unternehmen hätten sich neugierig auf das Projekt eingelassen, sagt die Berliner Kuratorin Ulrike Kremeier, die die Aktion betreut. Schließlich sei es auch für sie ein Experiment gewesen, den gewohnten Weg der Werbung zu verlassen und zu sehen, wie die Konsumenten darauf reagierten. (cp.) top


Nackte Namen (
Wiener Zeitung, 18. JULI 1995)

Manche Zigarettenwerbung im Kino kommt inzwischen ohne Raucher aus, ohne Zigaretten, ohne Namen. Es reichen Cowboys im rechten Licht. Viel schwerer ist es umgekehrt, wenn ein Markenname ohne Corporate Identity, auf Blockbuchstaben reduziert, plakatiert wird. In einer von Ulrike Kremeier initiierten Plakat-Kunst-Aktion entkleideten die Wiener Künstler Martin Strauß und Otto Mittmannsgruber Firmennamen. Unter dem Titel „Monolog des Vertrauens“ wurden im Februar auf 1100 Plakatstellen in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Essen Plakate geklebt. In schwarzen Versalien auf gelbem Grund gedruckte Firmennamen springen den Betrachter zwar an, indes fällt die Zuordnung schwer: „HONDA“ paßt in eine Zeile und ist auf den ersten Blick lesbar, aber kaum jemand denkt an Autos. Und der zweizeilige Plakataufdruck „DASERSTE“ braucht schon einen zweiten Blick, um ihn mit der ARD in Verbindung zu bringen. Nichts weist auf dem Plakat auf Kunst hin, es wird keine Erklärung angeboten.

Die Plakatierung ist ein neuer Streich der Akteure im öffentlichen Print-Raum. Schon in vergangenen Projekten zielte das Duo Mittmannsgruber/Strauß auf unsere Sehgewohnheiten. 1995 wurde der „Monolog des Vertrauens“ in Wien, Graz, Innsbruck gehalten; zuletzt plazierten sie in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ eine Woche lang täglich beschriftete Pfeile neben Artikeln mit Fragestellungen wie: „Interessiert Sie dieser Artikel?“ Für „Monolog des Vertrauens“ hat jede beteiligte Marke 15 000 DM bezahlt und damit den Druck der Plakate finanziert. Durch ihre Verhandlungen mit Marketingspezialisten, die um Hintergrundfarben und Logos feilschen, haben die Künstler inzwischen Einblicke in die verzweigten Entscheidungssysteme und Strukturen von Großkonzernen bekommen. Die Verbindung der vielfach fusionierten Companies, Intercoms und GmbHs mit einem Produkt wird immer uneindeutiger. Nur nicht im Kino. (K.W.) top


Plakatkunst im öffentlichen Raum (
nbk aktuell, 3.99, Berlin)

Ein Plakatexperiment der besonderen Art hat in diesen Tagen österreichweit Premiere: Im Juli und August werden in den Städten Graz, Linz, Innsbruck und Wien insgesamt 1.000 eigenwillige Schriftplakate den Betrachter überraschen. Die Namen und Logos von bekannten Unternehmen werden auf die reine Abfolge der Buchstaben reduziert und in ein einheitliches und vorgegebenes, grafisches Raster aulgelöst. Scheinbar willkürliche Wortsplitter entstehen, die der Betrachter erst ordnen, erkennen und dann die Assoziation zu den Unternehmensnamen herstellen muß.

Das Projekt „Monolog des Vertrauens“ wurde von Martin Strauss und Otto Mittmannsgruber konzipiert und wurde durch Unterstützung des „Ankünder“, eines Unternehmens der IWG-Holding, realisiert. Insgesamt 20 Unternehmen ließen sich selbst zum Objekt der künstlerischen Intervention machen und gestatteten Eingriffe in wesentliche Aspekte ihrer visuellen Identität. „In meinen Augen stellt das Projekt SIG-NET ein spannendes, ,subversives‘ Experiment dar, zielt es ja darauf ab, das Wesentliche eines Logos, nämlich die Verbindung von Schrift, Form, Farbe und Bild, zum Verschwinden zu bringen“ , sagte dazu der Geschäftsführer der IWG-Holding, Gerhard Feltl. „Damit werden wir als Betrachter gezwungen, anders wahrzunehmen. Indem die gewohnte Gestalt der Marke zerstört wird, bleibt uns die Arbeit der Rekonstruktion aufgetragen.“

In bestimmter Weise seien bei „Monolog des Vertrauens“ Parallelen zu den Arbeiten des Verpackungskünstlers Christo gegeben, wo ja das Verhüllen von Objekten gleichfalls dazu beiträgt, neue Sichtweisen entstehen zu lassen. „Die IWG und der "Ankünder" unterstützen dieses Projekt aus verschiedenen Gründen: Wir sind davon überzeugt, daß jedes gute Plakat einen Impuls, eine "optische Provokation" sein muß, gleichzeitig verstehen wir uns als Kommunikationsunternehmen, dessen Aufgabe es auch ist, den öffentlichen Diskurs der Gesellschaft mitzugestalten“ , erklärte Feltl. Für den „Ankünder“ ist Unterstützung von Kunst bereits Tradition. Kunssponsoring ist damit Teil der Unternehmensphilosophie, wird damit ja auch die enge Verwandtschaft von Plakat, Plakatkunst und Kultur verdeutlicht. top


Die Vielfalt liegt diesmal in der Einheitlichkeit (
Tiroler Tageszeitung, 8. Juli 1995)

Die österreichweite Plakat-Kunst-Aktion „Monolog des Vertrauens“ wurde am Donnerstag in Innsbruck gestartet

Eine Plakataktion der besonderen Art wurde am Donnerstag in Innsbruck gestartet und wird sich in den kommenden Wochen über ganz Österreich ausbreiten. Was die 20 verschiedenen, auf 1000 Plakatwänden affichierten Plakate nämlich von üblichen unterscheidet, ist, daß hier nicht mit unverwechselbaren, formal verführerischen Logos Lust auf verschiedene Produkte gemacht wird, sondern allein mit kühl reglementiertenschwarz-gelben Buchstabenfolgen der diversen Firmennamen.

Sie sind in einen immer gleichen grafischen Raster eingebunden, wobei durch die Aufsplitterung der Logos in isolierte Buchstabenfelder jeder spontane Bezug zum zu bewerbenden Produkt verlorengeht. Die mit dem Unbewußten spielenden Strategien guter Werbegrafik wurden so bewußt negiert, der Betrachter wird förmlich gezwungen, das abstrakte grafische Bild rational zu ordnen, zu erkennen und dann die Assoziationen mit dem dahinterstehenden Produkt bzw. Unternehmen an einem bewußten Akt herzustellen.

Anstatt sich pointiert von allen anderem abzusetzen, aufzufallen mit diversen, oft an die Grenze des guten Gesschmacks gehenden Mitteln, wird hier die Werbung uniformiert, das einzelne Produkt zum Rädchen innerhalb einei großen, aus scheinbar vertauschbaren Modulen zusammengesetzten Netzwerks degradiert. Erfinder der ungewöhnlichen Plakataktion sind der Bayer Martin Strauß und der Linzer Otto Mittmannsgruber, zwei Künstler, die sich gerne in ästhetischen Grenzbereichen artikulieren. Am Plakatprojekt reizte sie dessen un-übersehbare Präsenz im öffentlichen Raum, aber auch das subtile Zusammenspiel von Wirtschaft und Kunst, womit sie die seltene Gelegenheit hatten, über die Funktion reiner Behübscher hinauszugehen.

20 bekannte Firmen haben sich auf dieses unkonventionelle Plakat-Experiment eingelassen, ließen Eingriffe an ihre visuelle ldentität zu, die traditionellerweise zu den bestgehüteten Grundpfeilern jeder Firmenideologie gehört. Die einzelnen Firmen halfen sogar mit, die Druck- und Organisationskosten aufzubringen, ebenso wie die Firma Ankünder, die die 1000 Plakatflächen unentgeltlich zur Verfügung stellt und auch die Affiche übernommen hat.
Edith Schlocker
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Verkehrte Werbewelt

Die Plakat-Kunst-Aktion „Monolog des Vertrauens“ (
Oberösterreichische Nachrichten, 8. Juli 1995)

INNSBRUCK (schlo). Schwarze Buchstaben in schwarzumrandeten gelbe Feldern dominieren derzeit rund 1000 Plakatflächen in Innsbruck, Graz, Linz und Wien. Auf den ersten Blick erscheinen die Buchstabenfolgen wie unverständliche Wortsplitter, die sich erst nach dem rationalen Ordnen des Bildes als Namen bekannter Firmen entpuppen.

Alle Gesetze guter Werbegrafik werden hier verkehrt, indem nicht wie üblich optische Augenfallen zelebriert werden, sondern das zu bewerbende Produkt allein auf seinen Namen skelettiert wird, der in der vorliegenden ästhetischen Uniformierung zum Teil eines großen formalen Netzwerks wird. Erdacht haben diese extra-vagante Werbestrategie Martin Strauß und Otto Mittmannsgruber, die auf diese Weise Gelegenheit bekamen, ihre Kunst in den öffentlichen Raum hinauszutragen. Sie stecken in ihren Plakaten die Positionen zwischen Wirtschaft und Kunst neu ab, wobei sich die 20 Firmen den Künstlern total ausgeliefert haben. Werbetechnisch scheint das auf totale Vereinfachung zielende Konzept der beiden Künstler aber erstaunlicherweise aufzugehen, fällt im Zeitalter der totalen optischen Uberreizung doch gerade das Puristische auf, das aktiv zur Dechiffrierung der optischen Signale herausfordert.

Strauß/Mittmannsgrubers „Monolog des Vertrauens“ bedeutet aber letztlich eine Absage an die mit menschlichen Grenzerfahrungen spielende Werbestrategie etwa von Benetton, indem aus ihren Plakaten jede Emotion verbannt ist, jede sinnliche Opulenz, alles Verführerische und Grelle. top


Anti-Logo

Immer öfter und obsessiver setzt sich die Kunstszene in jüngster Zeit mir dem Werbe-plakat als künstlerischem Medium auseinander: auf Veranstalterseite zuletzt in Wien mehrmals das „museum in progress“ und der Kunstverein ULTRA-NORM mit den Künstlerbanden beim Artists Open, auf Künstlerseite Gerwald Rockenschaub, Felix Gonzalez-Torres oder Heimo Zobernig. Jetzt starteten die Künstler Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß gemeinsam mir 20 österreichischen Unternehmen und zwei Plakatfirmen eine Großplakatakrton unter dem Namen ,,Monolog des Vertrauens“ . Der künstlerische Irrirations- und damit gleichzeitig Aufmerksamkeitseffekt besteht darin, daß alle Posters die Unternehmensnamen aus einheitlichen Schwarz-auf-Gelb-Buchstaben in Doppelbogenformat zusammensetzen - als ästhetische Ordnung sozusagen ohne Rücksicht auf Firmenlogos oder -farben. Schon mal was von LAUDAAIR gehört? Die Plakate sind derzeit in Innsbruck, Linz, Graz und Wien affichiert und werden vom 19. bis 23.7. im Museum für angewandte Kunst gezeigt. top


1000 "Testbilder“ sorgen für scharfe Ansichten in der Stadt (
Kurier, Wien, August 1996)

Plakataktion als Kooperation von Kunst und Kommerz

Bei ihrem vorjährigen Plakatprojekt haben sie die Lagos bekannter Firmen - darunter auch der KURIER - vefremdet. Heuer verlangen die beiden Künstler Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß erneut die Aufmerksamkeit unserer Augen. Auf 1000 Plakaten rufen sie zum Rätselraten auf. Oder zum Schärfen des eigenen Blicks.

Zwanzig verschiedene Werbesujets - von Palmers bis Römerquelle - bilden das Ausgangsmaterial für diese ,,Testbilder“. Deren originale Bildschicht ist nun von einem grauen Lochraster verdeckt. Und diese Verfremdung hat dabei einen seriösen Hintergedanken: Als „Verdecken, Durchblick, Blickfang“ bezeichnet das Duo die Taktik des Projekts. Das durchaus auch als Zensur verstanden werden kann - ein „harmloses“ Motivkann so plötzlich zweideutig erscheinen, eingewagtes Motiv wird in seiner Botschaft verstärkt. Bis Ende August wird diese erfreuliche Kooperation zwischen Kunst und Kommerz für Irritationen im Wiener Stadtbild sorgen. Im Herbst soll dazu eine Publikation erscheinen. (pra) top