Der Standard, 13.1.1999
Kleine Zeitung, 2. Februar 1999
Profil, Nr.2, 11.01.1999
Falter, Wien, 1998
Die Presse, 13.1.1999
APA-JOURNAL MEDIEN, Wien, 13.01.99

Mit Pfeil und vielen Bogen (Der Standard, 13.1.1999)

Fünf öffentliche Fragen zu Werbeplakaten stellt eine Wiener Kunstaktion

Hübsche Mädchen, eine Heiße Fracht, die die OBB da transportieren. Zumindest auf ihren umstrittenen und, angenehmer Nebeneffekt, rege diskutierten Werbeplakaten. Den gesamten Jänner zeigt u.a. neben diesem Motiv ein großer schwarzer Pfeil, mit 24-Bogen-Flächen so groß wie die Werbung selber, darauf, wahlweise mit einem von fünf Fragesätzen versehen. Stört Sie dieses Plakat?, Bestimmen Sie, was hier hängt?, Verdient dieses Plakat Ihre Aufmerksamkeit? oder: Beeinflußt dieses Plakat Ihre Kinder?

Werbung, die sich selbst in Frage stellt - ein Paradoxon, das die beiden Künstler Otto Mittmansgruber und Martin Strauß nun einen Monat lang auf rund 700 von der Gewista zur Verfügung gestellten Plakatflächen vorführen. Die Heiße Fracht der Bundesbahnen ist dabei, das Donauzentrum, Profil/Trend, Pirelli; insgesamt 19 Unternehmen. Werbung, die zwar eine unterschwellige Botschaft erfüllt, wird vom Duo zu einem kommunikativen Medium ausgeweitet, das sich kritisch auf sich selbst bezieht. Wenn auch manchmal mit no-na-Fragen wie „Hat dieses Plakat eine versteckte Botschaft?“ - etwas, das manchen an die pflichtlektüre aus der Schulzeit in den 70er Jahren erinnert: Vance Packards „Die geheimen Verführer“.

Den Konsumenten in ein diffuses Wohhgefühl versetzen soll die Werbung, sagt Kulturtheoretiker Beat Wyss. Und genau‘ dieses wollen die beiden Künstler stören - Kunst ist ja mitunter eine Form der Wahrnehmungsstörung Wenn sie an einem Ort stattfindet, der für sie vorgesehen ist, wie etwa das Museum, dann wird diese entschärft bis aufgehoben. Das öffentliche Medium Plakat bietet Platz für "Aktionen" wo auf Wunsch der Künstler keine Autorschaft angegeben ist, da sie reine „Kunstwahrnehmung“, die von vielen gleich abklassifiziert werde, vermeiden wollen. Zwar verständlich, aber trotzdem auch die Krux bei dies Projekt: Mit den Firmen mußte zuerst verhandelt werden, ob sie ihre (alten) Plakate gratis, aber in Kombination mit Fragen und Pfeilen im Stadtbildt akzeptieren.
Mittmansgruber und Strauß konnten nach einigen durchgeführten Plakataktionen, etwa die spektakulären Phantombilder berühmter (toter) Osterreicher, oder die schwarz-gelbe Uniformierung von Firmennanien, mit besseren Argumenten durchstarten als absolute Plakat-Novizen. Ihre Aktion ist wieder ein Beispiel, daß die Kunst vor allem in Wien sich vantenreich und mehr oder weniger geglückt des plakates bedient. Zuerst tat es das „museum in progress“, dann folgten Aktionen von Martin Krenn & Oliver Ressler bis hin zur Bundesregierung. Hard facts beim „Karussell“, so der .Uberbegriff der Pfeil-Aktion, gibt es in einigen Wochen, nach einer Marktforschungsanalyse. top
Doris Krumpl


Stört Werbung? (
Kleine Zeitung, 2. Februar 1999)

Erinen kritischen Dialog mit der Werbung und dem Medium Plakat führen seit Jahren die beiden Künstler Otto Mittmansgruber und Martin Strauß. In ihrer ersten Plakatakton, 1995, irritierten sie, indem sie den Zusammenhang zwischen Firmen und ihrem Logo aufhoben: Bekannte Firmennamen wurden auf die bloße Folge der Buchstaben reduziert. 1996 entstanden ,,Testbilder“: 20 Werbeplakate, die im Jahr davor affichiert gewesen waren, wurden mit einem Lochraster überzogen, der Werbecode somit von einem neuen, abstrakten Code überlagert. „13 Tote Österreicher“ und „Fremd“, zwei Plakatkampagnen von 1997, setzten sich mit Ausgrenzung und Rassismus auseinander. Mit der jetzt in Wien anlaufenden, von Gewista gesponserten Aktion wird der Betrachter aufgefordert, sich mit Werbung auseinanderzusetzen, indem ihm Fragen gestellt werden wie „Stört Sie dieses Pla-kat?“ oder „Verdient dieses Plakat Ihre Aufmerksamkeit?“. Die Fragen beziehen sich auf konkrete, derzeit affichierte Werbung von 19 Unternehmen. top


Das Plakat als Zielscheibe (
Profil, Nr.2, 11.01.1999)

Aktion „Karussell“: Die Gruppe MEZ plakatiert kritische Fragen zur Plakatwerbung. Und läßt sich die Kritik von den Kritisierten bezahlen.

Nicht zuletzt, weil die Kunst in den engen Innenräumen der Kunstszene in ständiger Selbstreflexion manchmal schon an Atemnot leidet, tritt sie ab und zu gerne vor die Türen der Galerien und Museen. Ohnehin findet dort draußen, selbstverständlich und doch fast unbemerkt, die größte Bilderausstellung statt: auf Plakatwänden. Allein in Wien gibt es 40.000 davon. Und Österreichs PR-Wirtschaft verbucht den höchsten Anteil an Plakatwerbung Europas.

Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß befassen sich als Gruppe MEZ seit Jahren mit der optischen Diktatur des Marketing und haben bislang österreichweit selbst einige Plakatserien realisiert, die das Medium nicht nur benützen, sondern auch kritisch reflektieren. Im „Monolog des Vertrauens“ 1995 wurden 20 Firmen wie Esso oder McDonald‘s auf die Buchstaben ihres Namens reduziert und in ein einheitliches schwarz-gelbes Layout „gesteckt“ . In einer weiteren Serie überdruckten sie Werbesujets mit einem schwarzen Lochraster, durch das Bilder und Logos nur noch schemenhaft zu erkennen waren. Auf tausend Wiener Wänden affichiert, weisen zur Zeit große schwarze Pfeile auf das Nachbarplakat und stellen Fragen: Bestimmen Sie, was hier hängt? Stört Sie dieses Plakat? Beeinflußt dieses Plakat Ihre Kinder? Und irritieren Passanten, die - hofft MEZ - aus einer Trance, in der vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr zu sehen ist, aufwachen.

Freilich lassen sich im Marketingraum Geld und Absicht so leicht nicht trennen. Die Unternehmen der „bepfeilten“ Werbung, die das Projekt mt dem Namen „Karussell“ finanzieren, profitieren genauso von der erhöhten Aufmerksamkeit, sei sie auch eine kritische. Aber um Sabotage geht es MEZ ohnehin nicht. Denn bei aller didaktischer Ambition setzt man darauf, daß jeder seine Antwort selbst findet. Eine Antwort, die Umfragen zufolge ohnehin zugunsten der Plakatwerbung ausfällt: Ein hoher Prozentsatz der Passanten findet den Kommerzraum schön und anregend. top
Kristine Tornquist


Ins Schwarze? (
Falter, Wien, 1998)

Pfeile auf Massenmedien schießen Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß in ihrem neuen „Kunst in öffentlichen Räumen“-Projekt „Karussell“ - bei der Wahl der Präsentationsorte haben sie einen Zweierweg gewählt: Wie schon bei „Monolog des Vertrauens“ (1995) und „Testbilder“ (1996) treten ihre Sujets auf Großplakaten in Aktion; ein Novum sind hingegen die Einschaltungen im Standard. So fanden sich neben den Texten in allen Ressorts eine Woche lang große schwarze Pfeile, die die Aufmerksamkeit auf die mitgereichten Kommentierungen fokussierten. Neben grundsätzlichen Fragen („Ist dieses Thema wichtig?“; „Beeinflußt dieser Artikel Ihre Meinung?“; „Ist hier Objektivität möglich?“) fanden sich auch solche, auf die man gerne eine Antwort gehört hätte („Welche Art von Kultur dominiert heute dieses Ressort?“), und jene, die der Redaktion wenig Freude bereitet haben („Ist dieser Beitrag gut recherchiert?“). Gerieten die Pfeile auch manchmal zu sehr zu Zeigefingern, ist das Projekt als solches in jedem Fall bemerkenswert - zumindest so lange, bis die Schlußfrage mit Ja beantwortet werden muß: „Haben Sie sich schon diesen Pfeil gewöhnt?“ top


Im Jänner werden Sie zu einem Urteil gezwungen! (
Die Presse, 13.1.1999)

Die Aktion Karussell zwingt die Wiener, sich darüber klar zu werden, welchen Einfluß sie auf die allgegenwärtigen Plakate haben oder nicht: „Bestimmen Sie, was hier hängt?“ Die Antwort will die Plakat-Firma Gewa allerdings nicht wissen.

Es ist Kunst, sagen die Künstler, sie soll aber „nicht von vornherein als Kunst wahrgenommen werden“ - damit alle Aufmerksamkeit beim Medium Plakat bleibt. „Wir tragen der Öffentlichkeit gegenüber Verantwortung“, sagt der Chef der Plakat-Firma Gewista, Karl Javurek-Steiner. Trotzdem will er sich auch nach der soeben in Wien gestarteten Plakat-Aktion Karussell „nicht mit Hunderten Menschen philosophisch auseinandersetzen“. Da die Künstler Otto Mittmansgruber und Martin Strauß ebenfalls „kein Feedback hervorrufen“ wollen, bleibt die Aktion ohne Adresse.

Ab sofort bis Ende Jänner hängen in Wien 750 Plakate, die den Betrachter - in verschiedenen Bild-Text-Kombinationen - fünf Fragen stellen: Stört Sie dieses Plakat? Bestimmen Sie, was hier hängt? Beeinflußt dieses Plakat Ihre Kinder? Hat dieses Plakat eine versteckte Botschaft? Verdient dieses Plakat Ihre Aufmerksamkeit? Die Antworten wären interessant - eine Telephonnunimer oder E-Mail-Adresse, an der man sie loswerden kann, gibt es aber „ganz bewußt“ nicht. Plakat-Künstler Mittmansgruber: „Wir wollen durch diese Fragen ein plötzliches Aufmerken beim Passanten erreichen. Die Antwort soll bei den Betrachtern bleiben.“ Strauß dazu: „Durch die Fragen erreichen wir ein reflektives Urteil, das der Passant sonst so nicht fällen würde.“ Die beiden haben in den vergangenen Jahren Plakat-Aktionen wie "Testbilder" (1996), „13 Tote Österreicher“ (1997) und „Fremd“ (1997, in Niedröster-reich) ins Leben gerufen.

19 Firmen haben ihre WerbeSujets für diese Aktion zur Verfügung gestellt - darunter auch die OBB und Palmers (siehe Photos), Römerquuelle, Ergee und viele mehr. Die Gewista, die in Wien 33.000 der insgesamt 40.000 Plakatflächen betreibt, stellt die Werbefläche zur Verfügung. Der Wert (wenn man die 750 Plakatflächen im Jänner mieten müßte): 3,5 Millionen Schilling oder 254.360 E. Die Gewista erwirtschaftet mit Plakaten in Österreich und zehn osteuropäischen Ländern eine Milliarde Schilling (72,67 Mill. E) Jahresumsatz.

Javurek-Steiner sieht den Sinn der Aktion darin, daß „das Medium Plakat aus der Einweg-Kommunikation herausgenomnin wird.“ Allerdings gibt er ob der kritischen Fragen zu: „Auch ich habe.da einen Prozeß durchmachen müssen.“ Die Entscheidung, solche Fragen zu plakatieren, habe er letztlich „leichten Herzens“ getroffen. Zum umstrittenen OBB-Plakat „Heiße Fracht“, das bei der Aktion mitmacht, meint Javurek: „An diesem Plakat gibt es überhaupt nichts abzulehnen.“ (lui) top


Neue Plakat-Kunstaktion gestartet (
APA-JOURNAL MEDIEN, Wien, 13.01.99)

Provokant: „Stört Sie dieses Plakat?“ - mit dieser und ähnlichen Fragen richten sich die beiden Künstler Otto Mittmansgruber und Martin Strauß in ihrer neuestn Kunst-Plakataktion „Karussell“ an die Bevölkerung.

Auf mehr als 750 ausgewählten und von der Gewista zur Verfügung gestellten 48-Bogen-Flächen in ganz Wien werden klassisch-kommerzielle Plakatsujets provokanten Fragen gegenübergestellt. Diese sollen den Betrachter zu einer bewußten Auseinandersetzung mit dem Medium Plakat anregen.

Die fünf gestellten Fragen lauten: „Stört Sie dieses Plakat?“, „Bestimmen Sie, was hier hängt?“, „Beeinflußt dieses Plakat Ihre Kinder?“, „Hat dieses Plakat eine versteckte Botschaft?“ und „Verdient dieses Plakat Ihre Aufmerksamkeit?“. Unterlegt sind die Sätze mit einem schwarzen Pfeil, der auf das Nebenplakat gerichtet ist. Zu den Firmen, die ihre Werbesujets der Aktion zur Verfügung gestellt haben, gehören unter anderem Palmers, Römerquelle, die ÖBB mit ihrem umstrittenen Plakat „Heiße Fracht“, Ö3, die Österreich Werbung und die Stadt Wien. „Karussell“ ist die bereits fünfte Kunst-Plakataktion von Otto Mittmansgruber und Martin Strauß, in der sich die beiden Künstler kritisch mit dem Verhältnis von Werbung zu Kunst und deren Rezeption im öffentlichen Raum beschäftigen. 1995 reduzierten Mittmansgruber und Strauß in ihrer ersten Aktion „Monolog des Vertrauens“ Logos bekannter Firmen auf die bloße Folge ihrer Buchstaben. Ein Jahr später entstanden mit „Testbilder“ 20 Werbeplakate, die durch einen Lochraster überdeckt wurden und sich dem Betrachter als scheinbar voneinander losgelöste Ausschnitte präsentierte. 1997 folgten dann die Aktionen „13 Tote Österreicher“ mit fahndungsbildähnlichen Zeichnungen berühmter Wissenschafter und Künstler und „Fremd“, eine Aktion, die sich mit dem Thema Rassismus beschäftigte und flächendeckend in ganz Österreich präsentiert wurde. top