Carusel / Daily newspaper (deutsch)

Media art project in the Austrian daily newspaper “Der Standard”, issues: January 16–22, 1999


The same principle of self-reference, the use of a medium for its own self-criticism, was the essential characteristic of a campaign in the Austrian daily newspaper “Der Standard”, which was carried out parallel to the poster campaign. For one week this newspaper allowed itself to be made the object of an artistic intervention. In each issue of that week the reader was confronted with a series of unexplained insertions that referred directly to editorial items. A question was asked about an article, a picture or a commentary, always accompanied, as on the posters, with a large arrow pointing to the item in question. And just as in the poster campaign, the questions asked dealt exclusively with the inner structure of and the inherent pressures exerted by the medium, particularly with those aspects which the reader or, in the case of posters, the passerby, usually accepts without question.
For average readers, the collection of news items, photographs and reports offered in a daily newspaper is more or less their “picture of the world” for the day. They are not consciously aware, every time they read the newspaper, that publishing each issue necessarily involves selecting topics and evaluating them according to importance. Selection and evaluation, the primary criteria for the quality of a newspaper and for the responsibility of the journalist, were therefore also the primary points of reference for our questions. Which topics are chosen, where, on which page are they placed? In how much detail are they dealt with, is the article accompanied by a photograph and what additional significance does this have? Which topics – an even more important question – are omitted? How do the various sections of the newspaper compare to one another in size and how much space is given to the gossip columns?



Karussell - Der Standard als Gegenstand der Kunst


Seit seinem Bestehen arbeitet der Standard immer wieder mit Kulturinstitutionen zusammen und wird zur medialen Plattform der Kunst - mit Einschaltungen von Künstlern oder als Diskussionsforum. Vom 15. bis 23.1 läßt nun der Standard erstmals sich selbst zum Objekt einer künstlerischen Intervention machen. Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß haben dieses Medien-Kunst-Projekt konzipiert und erläutern ihre Intentionen.In dieser Ausgabe und in der kommenden Woche werden Ihnen im Standard unausgewiesene Einschaltungen begegnen, die sich direkt auf redaktionelle Beiträge beziehen. Ein Frage richtet sich auf einen Artikel, ein Bild, einen Kommentar, immer in Kombination mit dem bezugnehmenden, großen Pfeilzeichen:
Die Einschaltungen sind Teil eines Kunstprojekts, das sich kritisch mit heutigen Massenmedien beschäftigt. Das Projekt wird in zwei verschiedenen öffentlichen Bereichen gleichzeitig durchgeführt: hier in dieser Zeitung und den ganzen Januar über auf 750 Großplakattafeln in Wien.
Es werden ausschließlich Fragen gestellt, die sich mit der inneren Struktur und den immanenten Zwängen des jeweiligen Mediums befassen, besonders mit solchen Aspekten, die der Leser bzw. der Passant auf der Straße gewöhnlich fraglos gelten läßt und akzepiert - das unhinterfragt Faktische des Mediums.
Für den durchschnittlichen Leser ist das Konvolut an Meldungen, Fotos, Berichten usw., das ihm die Zeitung offeriert, gewissermaßen sein “Bild der Welt” vom Tage. Er vergegenwärtigt sich nicht bei jeder Zeitungslektüre, daß hier immer und notwendigerweise eine Auswahl und Gewichtung der Themen vorgenommen wurde. Auswahl und Gewichtung, die ersten Kriterien für die Qualität einer Zeitung und die Verantwortung des Journalisten, waren deshalb auch die ersten Bezugspunkte für unsere Fragen: Welche Themen werden gewählt, wo, auf welcher Seite werden sie plaziert, wie ausführlich werden sie behandelt, ist ein Foto dem Artikel beigestellt und welche zusätzliche Bedeutung hat es, welche Themen - wichtiger noch - fallen weg (das Ressort hat nur soundsoviele Seiten zur Verfügung!), wieviel Umfang haben die Ressorts im Verhältnis zueinander (zum Beispiel “Ausland” im Verhältnis zu “Regionales”), welcher Raum wird den “Vermischten Meldungen” zugestanden usw.?
Die Selbstbezüglichkeit, das Einsetzen des Mediums zu seiner eigenen Kritik, ist das entscheidende Charakteristikum dieses Projekts. Ohne die offene Bereitschaft der jeweiligen Medienbetreiber, sich dieser selbstkritischen Konfrontation zu stellen, wäre die Sache niemals verwirklicht worden. Vor allem im journalistischen Bereich ist diese Bereitschaft fast eine Novität. Unseres Wissens nach hat bislang nur ein einziges Mal, vor bald 20 Jahren, eine Zeitung eine derartige selbstbezügliche Intervention zugelassen, die nicht als Anzeige ausgewiesen oder anders als Einschaltung eines Künstlers gekennzeichnet war - die deutsche Wochenzeitung Die Zeit mit einem Projekt von Allan Kaprow. top