Falter, Wien, Nr. 17, 27.4.2000
Zeitung der Kunstuniversitäten, Nr. 25, Wien, Juli 2000
Süddeutsche Zeitung, 5.5.2000
ekz-Informationsdienst, 2000

Falter, Wien, Nr. 17, 27.4.2000
In Österreich fiel vor einigen Jahren eine Plakatserie junger Frauen auf, die man für Models oder für Stewardessen halten konnte; in Wirklichkeit handelte es sich jedoch um computerbearbeitete Schönheiten der Künstlerin Rosemarie Trockel. Die Arbeit „Beauty“ löste eine Kontroverse um die Wirksamkeit von kritischer Kunst aus, die in einem Medium und mit Mitteln der Werbung arbeitet. Joseph Kosuth war der erste Künstler, der in den Sechzigerjahren Großplakate für eine Überwindung und Kritik der institutionellen Schranken nutzte. Das von Otto Mitmannsgruber und Martin Strauß herausgegebene Buch „Plakat.Kunst.“ behandelt die vielfältigen Aspekte von Kunst im Massenmedium mit generellen Fragen zu Kunst im öffentlichen Raum, Abgrenzung von Werbung oder Rezeption. Interviews mit Künstlern und Vertretern der Werbebranche eröffnen einen anderen Blick auf das, was man bisher durchschnittlich zwei Sekunden lang wahrgenommen hat. top

Nicole Scheyrer

Süddeutsche Zeitung, 5.5.2000

Reiz und Reflexion

Ein Sammelband zur Mediendiskussion: Wie sich das Verhältnis von Plakat und Kunst heute gestaltet

Kunst und Kommerz, eine immer aufs Neue diskutierte Konkurrenz — mit leichter Schieflage: die schöne, aber wenig wirkmächtige Kunst pinkelt dem beherrschenden Kommerz wo immer es geht ans Bem. Was den ab und an zu einem kräftigen Fußtritt verleitet. In den sechziger Jahren griffen dann verstärkt Künstler in den Bereich des Kommerzes ein - Daniel Buren überklebte Anzeigen mit bunt gestreiften Bändern, Joseph Kosuth entwarf Eigenes. Damit drehten der Franzose und ,der Amerikaner zum einen der etablierten Kunstszene eine Nase, weil sie auf deren Museen und Galerien pfiffen, zum anderen - und das war wichtiger - sollte sich die Werbewirtschaft die Sinnentleerung ihres Mediums vorführen lassen.

Hat die Kunst inzwischen ein ästhetisches Gegenprogramm etablieren können oder ist sie in der Antihaltung geblieben? Otto Mittnannsgruber und Martin Strauß. haben einen Band herausgegeben, dessen Titel eine erste Antwort gibt: „Plakat. Kunst.“ Kein Bindestrich zurrt die beiden Elemente aneinander ein Punkt hält sie gebührlich auseinander. Fasst man den Kunstbegriff allerdings weiter, verwischen die Differenzen. In einem der knapp zwanzig Interviews mit Plakatkünstlern, die den zweiten Teil des Bandes ausmachen, äußert Serge Kliaving die Ansicht, ein Plakat zu schaffen, das bedeute, eine Debatte in Gang zu setzen - und das sei eher ein ziviler als ein künstlerischer Akt. Dann sind, natürlich, die Benetton-Kampagnen ebenfalls Kunst. Und es ist nicht weit von einer politischen Aussage eines Künstlers auf einem Plakat zu einer Greenpeace- oder ai-Anzeige. Ein weites, komplex struktufiertes Feld, auf dem Burens arrogantes Diktum, je mehr Kunst im öffentlichen Raum plakatiert werde, desto stärker werde das galoppierende Mittelmaß der Werbung eingedämmt, zu kurz greift.

Denn die Kunst hat sich in diesem Medium nicht entscheidend etablieren können, was neben den schwierigen Rezeptionsbedingungen auch der mangelnden Qualität zu verdanken ist - so Wolfgang Ullrich. Er wirft Gerwald Rockenschaub vor, eine Chance versäumt zu haben, für die Kunst zu werben, als er 1991 Plakate mit farbigen Rechtecken bemalt. „Zu behaupten, Passanten, die auf eine - oder mehrere der Plakatwände Rockenschaubs stießen, wären nachhaltig irritiert und zu einer Reflexion etwa über die.Reizüberflutung durch Werbung angeregt worden, wäre eine idealistische Ürbersätzung dieser Aktion.“

Ullrichs Stimme bleibt die einzige kritische in dem Band. Die übrigen Autoren greifen sich entweder einzelne geglückte Werke oder Projekte heraus oder sie setzen sich theoretisch mit den Möglichkeiten.der Kunst im öffentlichen Raum auseinander. Gerade diese Aufsätze bleiben in ihrer. Argumentation oft auf halbem Weg stecken: So reduzieren viele Autoren gewöhnlich Plakate auf kommerzielle Anzeigen und Wahlwerbung - davon lässt sich Kunst leidlich abgrenzen. Wohingegen der Bereich der „wilden“ Plakate, der dem Großteil der Kunstplakate viel näher ist, unerwähnt bleibt. Problematisch ist auch die Feststellung, Werbeplakate würden dem Betrachter, anders als Kunstplakate, keine Kommunikation erlauben, sondern direkt einKaufverlangen wecken. Wie stehes aber mit Zigarettenwerbung, die Nichtraucher witzig finden? Ist das schon oder noch keine Kommunikation?

„Plakat.Kunst.“ verfehlt einen ganzheitlichen Blick auf sein Thema. Ausgangspunkt kann immer nur ein einzelnes Werk sein, die Betrachtung bleibt daher punktuell. Immerhin, der Band stellt eine repräsentative Zahl von Künstlern und Projekten vor. Freilich hätten die Fotografien größer sein sollen, manchmal kann man die doch wesentlichen Schriftzüge auf den Plakaten nicht lesen. Und die grundsätzlichen Möglichkeiten der Plakatkunst werden, wohl aus Liebe zum Gegenstand, zu positiv eingestuft. Denn auch die Werbung benutzt die Waffen der Kunst.

Stefan Fischer
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Zeitung der Kunstuniversitäten, Nr. 25, Wien, Juli 2000
16 Bogen und Widerstand

Protest verlangt nach Öffentlichkeit und die Eroberung dieser verschiedensten Formen von Offentlichkeiten war wohl ein grosses Thema der letzten Monate. Von kleinen Widerstandsstickern (s/w Laserprint. 24 Stück auf einem A4 Blatt) bis zum farbigen, von Beko gesponserten Grossdigitalplot von Künstlerbeiträgen an der Fassade der Secession gingen die Bemühungen, sich im nur scheinbar öffentlichen Raum Gehör zu verschaffen. Im von Otto Mittmannsgruber und Martin Strauß herausgegebenen Buch „Plakat.Kunst“ wird das klassische Großplakat als künstlerisches Medium einer Untersuchung unterzogen; ein Medium in dem zur Zeit mal wieder die FPÖ die Nase vorn hat.

Für die Herausgeber steht insbesondere die Frage nach der fachgerechten Verwendung dieses von Regeln der Werbung und des Kapitals durchzogenen Mediums im Mittelpunkt, und die Frage nach der richtigen Einschätzung dieser Abhängigkeiten spielt eine zentrale Rolle in den etwa 20 Interviews, die die beiden mit KünstlerInnen geführt haben, die Erfahrung mit Plakatarbeiten im Stadtraum haben. Das macht die Interviews teilweise sehr unterhaltsam, wenn die zwei dem klassischen Kunstbetrieb eher reserviert gegenüberstehenden Künstler etwa bei Daniel Buren den Verdacht erwecken, ihn „offen beleidigen“ zu wollen. Dem Kunstbetrieb werfen sie genau jene falsche Anwendung des Mediums vor, die sie in ihrer eigenen Arbeit exemplarisch gelöst sehen. (Mittmannsgruber und Strauß haben seit 1995 mehrere Projekte für Großplakate realisiert, immer in Kooperation mit der Plakatwirtschaft und in grosser Streuung von etwa tausend Stück).

Interessanter als die Legitimationsstrategien von Mittmannsgruber und Strauß sind die Textbeiträge von Oliver Marchart und Stefan Römer. Marchart rollt eine Geschichte der Plakate als prototypisches Medium einer politischen Öffentlichkeit auf und liefert damit reichlich Diskussionsstoff für Widerstandsaufkteber und Fassadenbilder. Anhand von Rekrutierungsplakaten aus dem ersten Weltkrieg und „Public Art“ Projekten, etwa der Womens Action Coalition, skizziert er den Moment der antagonistischen Austragung von demokratischen innergesellschaftlichen Konflikten als Grundvoraussetzung für Öffentlichkeit.

Stefan Römer weist in seinem Text auf den zunehmenden Verlust der Handlungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum hin. Als Raum „abstrakt aufeinander bezogener Einzelöffentlichkeiten“ (Negt/Kluge), die einem homogenen Begriff von Öffentlichkeit widersprechen, ist die Vorstellung von öffentlichem Raum als möglichst vielen verschiedenen Gruppen frei zugänglicher eine Fiktion. Er schlägt für die Unterscheidung von Zeichen im öffentlichen Raum statt der üblichen Trennung in kommerziell und nichtkommerziell eine grundsätzlichere vor, nämlich die, „in offizielle, d.h. hegemoniale, weil institutionell abgesicherte, und inoffizielte, d.h. marginale, weil individuell angebrachte und oft subversiv intendierte Zeichen“.

Zurück bleibt wie immer die Frage, ob man die Welt der hegemonialen Zeichen nützen möchte, wie es das offizielle Widerstandstransparent an der Akademiefassade tat, oder ob „Fuck Neotiberalism“ auf dem Bronzekarren neben der Sezession wirkungsvoller oder nur authentischer ist. top

Andreas Fogarasi


ekz-Informationsdienst, 2000
Plakat.Kunst.

Künstler haben seit geraumer Zeit die Werbung nicht nur als Vertriebskanal flur ihre Produklion erkannt, sondern auch als ästhetischen Input. Die Zeichensprache der Werbung wird bewusst genutzt - und von den Künstlern gebrochen. Das Plakat spielt dabei als Formalvorgabe und als Genre seit den 60er-Jahren und der damaligen Konzeptkunst eine zentrale Rolle. Die Künstler haben sich seither vermehrt an den gesellschaftlichen Zusammenhängen orientiert: Durch einen neuen Einsatz von Text (wie bei der Amerikanerin Barbara Kruger), durch politische Einflussnahme (wie bei Hans Haake oder den Guerilla Girls) oder durch ästhetische Neuinterpretation (wie bei Rosemarie Trockel). Das Buch wird von den Herausgebern in drei Teile untergliedert: Eine Textsammlung zu Einsatz und Wirkung des Massenmediums und dessen Schnittstellen zur Kunst. Dann Interviews mit fast 20 Künstlern über deren Zugang zum Thema. Abschließend kommen zwei Werbeprofis zu Wort. Der mit zahlreichen Arbeitsbeispielen illustrierte Textband ist die erste grundlegende Publikation zum Thema.

Bettina Scheurer
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